„Dschinns“

Rezension 416

„Dschinns“ von Fatma Aydemir

Worum geht es?

Copyright Hanser Literaturverlage

„Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs großer Gesellschaftsroman erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet. Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, den Blick tief hineingerichtet in die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und weit voraus.“

( Quelle Klappentext zu „Dschinns“ von Fatma Aydemir )

Meine Meinung:

Hüseyin hat sein Leben lang gespart, um sich und seiner Familie pünktlich zur Rente den Traum einer eigenen Wohnung in Istanbul zu erfüllen. Doch am Tag des Einzugs kommt es zu einer Tragödie: Hüseyin bekommt in seiner neuen Eigentumswohnung einen Herzinfarkt und stirbt – fernab von seiner Familie. Allein.

So der Start ins Buch, und dort, in der neuen Wohnung wird diese Geschichte auch enden…

Auf den Seiten dazwischen erfahren wir aus der Sicht jedes Einzelnen, was in ihm oder ihr vorgeht. Gedanken, Emotionen, Erinnerungen. Alles, was einen mit dem Vater, dem Ehemann verbunden hat. Besonders das letzte Kapitel aus Sicht von Hüseyins Frau Emine hat mich sehr mitgenommen.

Alle schwelgen in Erinnerungen, guten wie schlechten, während sie auf dem Weg sind nach Istanbul. Denn Hüseyin ist Moslem und muss innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden. Emine und ihre beiden jüngsten Kinder Peri und Ümit schaffen es mit dem Flieger pünktlich in die Türkei. Aber Hakan und Sevda verpassen ihren Flug bzw. fahren mit dem Auto nach Istanbul.

Und dann beginnt im Prinzip ein Road Trip, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auf ihrem Weg, von der Mitteilung, dass der Vater tot ist, bis hin in die Istanbuler Wohnung, passiert mit ihnen allen so viel, es geht ihnen so viel durch den Kopf… Und die Autorin beschreibt das so gefühlvoll, so voller Liebe , dass es manchmal schwer war auszuhalten!

Jede einzelne Geschichte ist so krass und unerwartet. Man kann ja nicht in die Köpfe von Menschen sehen und stellt sich einfach eine normale Familie vor, mit Höhen und Tiefen, Ecken und Kanten, aber eben normal, ohne großen Probleme. Dieser Eindruck sollte auch immer vermittelt werden! Stille und (Ver)Schweigen ist auch so etwas in dieser Familie, wo ich persönlich nie mit klarkommen würde. Aber jetzt, wo wir Leser die Möglichkeit bekommen in die Köpfe der Protagonisten, in ihre Seelen zu blicken, tun sich zum Teil Abgründe auf, mit denen man nicht gerechnet hat.

Z.B. Sevda, die bis sie ein Teenager war, im Dorf ihrer Eltern in der Türkei bleiben musste, ehe sie nach Deutschland nachreisen konnte. Ein Mädchen, dass nicht lesen und schreiben gelernt hat. Peri, die Feministin, die Germanistik studiert – damit können die Eltern nichts anfangen…

Mehr möchte ich nicht verraten, nur nochmal erwähnen, dass gerade Emines Geschichte mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat!…

Und dann sitzen sie am Ende alle in der Istanbuler Wohnung, sprachlos, wie immer.

Mit einer unglaublichen Wucht an Sprache und Bilder präsentiert uns Fatma Aydemir ein eindringliches und vielschichtiges Werk, das sich mit Identität, Migration und den Herausforderungen des Erwachsenwerdens auseinandersetzt. Aber auch mit Kultur und Traumata.

Die Autorin, die selbst aus einer türkischstämmigen Familie stammt, nutzt ihre eigene Erfahrung, um eine Geschichte zu erzählen, die sowohl persönlich als auch universell ist.

Ihre Protagonisten sind so echt, man nimmt ihnen alles ab und lebt und leidet mit ihnen. Ich habe lange nicht mehr einen Roman gelesen, in dem ich so tief drin war!…

Fatma Aydemirs Debütroman „Dschinns“ ist mein absolutes Jahreshighlight 2024! Dieser Roman hat mich so berührt und emotional fertig gemacht! Verdient hat er mehr als nur Kaffeetassen, aber „Dschinns“ bekommt von mir

5 / 5 Rezension !!!!!!!! ********* 🙂

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Über die Autorin:

„Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren, sie lebt in Berlin. Bei Hanser erschien 2017 ihr Debütroman „Ellbogen“, für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt. 2019 war sie gemeinsam mit Hengameh Yaghoobifarah Herausgeberin der Anthologie „Eure Heimat ist unser Albtraum“. Ihr zweiter Roman „Dschinns“ (Hanser, 2022) wurde mit dem Robert-Gernhardt-Preis und dem Preis der LiteraTour Nord 2023 ausgezeichnet.“

( Quelle Hanser Literaturverlage )

„Dschinns“ von Fatma Aydemir

Ein Roman erschienen bei dtv am 14.02.2022

ISBN 978-3446269149

368 Seiten

Gebunden mit Schutzumschlag

Auch als Ebook, Taschenbuch und Hörbuch erhältlich

www.dtv.de

 * gelesen über die Onleihe der Stadtteilbibliothek Köln *

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