„Die Vegetarierin“

Rezension 444

„Die Vegetarierin“ von Han Kang

Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee

Worum geht es?

Rezension
Copyright Aufbau Verlage

„Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine leidenschaftslose, pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt wirft »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt Vegetarismus als subversiv. Und bald nimmt Yong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.“

( Quelle Klappentext zu „Die Vegetarierin“ )

Meine Meinung:

Han Kangs Roman „Die Vegetarierin“ ist ein literarisches Ereignis, das den Leser in eine surreale, verstörende und zugleich atemberaubend intensive Welt entführt. Für ihren Roman erhielt Han Kang 2016 den Man Booker International Prize und wurde 2024 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Damit gehört sie zu den wichtigsten literarischen Stimmen Koreas und hat auch international große Anerkennung gefunden.

Im Zentrum der Geschichte steht Yeong-hye, eine durchschnittliche südkoreanische Hausfrau, die gemeinsam mit ihrem Ehemann ein unauffälliges, von Routine geprägtes Leben führt. Ihr Alltag ist von Pflichtbewusstsein und Anpassung bestimmt, doch diese scheinbare Harmonie wird jäh durchbrochen, als Yeong-hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren.

Was zunächst wie ein kleiner Akt der Selbstbestimmung wirkt, ebenso ihre Art keinen BH zu tragen, entpuppt sich als tiefgreifende Rebellion gegen die gesellschaftlichen und familiären Normen Südkoreas. In einer Gesellschaft, in der Vegetarismus als rebellisch oder aufrührerisch gilt, wird Yeong-hyes Entscheidung zum Auslöser einer Kette von Ereignissen, die ihr Leben und das ihrer Familie grundlegend verändern.

Aber hier geht es um viel mehr als Ernährung oder die Ablehnung von Fleisch. Der Roman beleuchtet die Themen Scham, Begierde, Macht und Obsession in einer Gesellschaft, die von strengen Normen und Rollenbildern geprägt ist. Immer grotesker wird die Handlung; Yeong-hye möchte sich am liebsten in eine Pflanze verwandeln und verliert immer mehr den Bezug zur Realität. Ihre Familie kann gar nicht anders, als sich mit Unverständnis, Scham und sogar Aggression gegen sie zu wenden.

Die Autorin schreibt diese Geschichte sehr eindrucksvoll! Zu Beginn klingen ihre Sätze, Beschreiben noch zart und anrührend, aber je weiter man liest, desto mehr verändert sich, parallel zum Geschehen, auch der Schreibstil.

Unterteilt ist der Roman in drei Abschnitte, die jeweils aus der Perspektive einer anderen Figur erzählt werden: Yeong-hyes Ehemann, ihr Schwager und schließlich ihre Schwester. Die unterschiedlichen Blickwinkeln sorgen dafür, dass der Leser ein allumfassendes Bild des Geschehens erhält.

Ich bin ehrlich, am Ende des Buches wusste ich nicht so recht, was ich denken, was ich dazu sagen soll! Ich war geradezu ratlos und musste das Gelesene erst einmal verdauen; so schreibe ich diese Rezension erst einige Wochen nach dem Auslesen des Buches. Immer wieder grübelte ich nach und kam schließlich zu  dem Schluss, dass uns Han Kang einen überaus eindrucksvollen Gesellschaftsroman beschert hat. Ein Buch über Frauen – und für Frauen!

Viel zu selten mache ich mir Gedanken über Frauen aus anderen Kulturen, anderen Gesellschaften. Und natürlich erschreckt es mich, dass es nicht überall so demokratisch und selbstbestimmt zugeht, wie bei uns in Deutschland oder Europa. Dieses Buch legt den Finger in die Wunde, dass wir noch meilenweit von Gleichstellung und Selbstbestimmung entfernt sind! Und jetzt, nachdem ich einige Zeit habe vergehen lassen, kann ich sagen, das Buch gefällt mir – obschon es ziemlich schräg ist. Oder vielleicht genau deswegen!

„Die Vegetarierin“ ist ein Roman, der unter die Haut geht. Han Kang schreibt mit einer Intensität und Radikalität, die selten zu finden ist.  Das Buch ist berührend, verstörend und regt zum Nachdenken an. Sicherlich nicht einfach zu lesen, aber lesenswert. In mir hallt das Buch auf jeden Fall nach, aber ob es den Nobelpreis der Literatur verdient hat, mag ich nicht zu beurteilen.

Das Cover, so finde ich, passt gut zur Geschichte. Die Blumen, Lilien, stehen für die Frau, ihre Fruchtbarkeit. Aber auch für Reinheit, Unschuld und Würde. Gleichzeitig können sie auch Trauer ausdrücken und werden oft bei Beerdigungen eingesetzt. Wiederum aber auch bei Hochzeiten! Somit hat der Verlag ein Cover ausgewählt, das im Prinzip, die ganze Geschichte erzählt…

Von mir bekommt „Die Vegetarierin“ von Han Kang

4 / 5 Rezension !

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Über die Autorin:

„Han Kang wurde 1970 in Gwangju, Südkorea, geboren und ist die wichtigste literarische Stimme Koreas. 1993 debütierte sie als Dichterin, ihr erster Roman erschien 1994. Für »Die Vegetarierin« erhielt sie gemeinsam mit ihrer Übersetzerin 2016 den Man Booker International Prize, »Menschenwerk« erhielt den renommierten italienischen Malaparte-Preis. »Weiß« war ebenfalls für den Booker Prize nominiert. 2024 erhielt Han Kang den Nobelpreis für Literatur. Sie lebt in Seoul.“

( Quelle www.aufbau-verlage.de )

Über die Übersetzerin:

„Ki-Hyang Lee, geboren 1967 in Seoul, studierte Germanistik in Seoul, Würzburg und München. Sie lebt in München und arbeitet als Lektorin, Übersetzerin und Verlegerin. Für ihre Übersetzungen wurde sie 2024 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.“

( Quelle www.aufbaue-verlage.de )

„Die Vegetarierin“ von Han Kang

Ein Roman erschienen bei den Aufbau Verlagen am 28.10.2024

ISBN 978-3351042608

190 Seiten

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag

Auch als Taschenbuch, Ebook und Hörbuch erhältlich

www.aufbau-verlage.de

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