“Nach den Fähren”

Rezension 344

“Nach den Fähren” von Thea Mengeler

Worum geht es?

Copyright Wallstein Verlag

“Auf einer vormals beliebten Urlaubsinsel bleiben mit einem Male die Fähren aus und mit ihnen die Urlauber. Das Leben kommt zum Stillstand, die meisten Bewohner verlassen die Insel, nur ein paar wenige harren aus. Hoffend auf eine Rückkehr der Fähren und isoliert voneinander gehen sie den immergleichen Tätigkeiten nach. Das Leben dieser Übriggebliebenen ändert sich erst, als ein Mädchen namens Ada auf unerklärliche Weise im Sommerpalast erscheint und die Nähe zu dem ehemaligen Hausmeister sucht. Ihre Fragen nach seiner Vergangenheit und nach der der Insel führen zu einem Umbruch, der auch dann nicht mehr aufzuhalten ist, als Ada so plötzlich verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Mehr und mehr verweben sich die Geschichten der Figuren, die beginnen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen – und mit der Frage, ob eine Rückkehr der Fähren überhaupt wünschenswert ist.”

( Quelle Klappentext zu “Nach den Fähren” von Thea Mengeler )

Meine Meinung:

Beim Lesen des Klappentextes zu “Nach den Fähren” hat man das Gefühl, dass es sich um eine dystopische Geschichte handeln könnte, zumindest spricht vieles dafür. Doch während des Lesens wird klar, dass es noch weit mehr ist!…

Diese fiktive Vorstellung, die durchaus vielleicht – eventuell – mal Realität werden könnte, dass da eine Insel ist, welcher der Tourismus den Rücken gekehrt hat und deren meiste Bewohner aufs Festland ziehen, ist ein zurecht psychologisch interessantes Szenario. Die Verbliebenen, die sich immerzu sagen: “Vielleicht kommen die Fähren morgen wieder!”, halten an ihrem Leben, an ihrer Tätigkeit fest und merken gar nicht, wie sie sich immer mehr verlieren…

Die Verbliebenen werden namentlich nicht genannt, lediglich ihre Berufe oder ihren gesellschaftlichen Stand erfahren wir. Sie gehen stoisch ihren Tätigkeiten nach, was sollen sie auch sonst machen? Das Obst der Bäume muss doch aufgesammelt und verarbeitet werden; die Hotelzimmer müssen hergerichtet werden, für die Urlauber, die vielleicht bald wieder kommen; das Getreide muss gemahlen und zu Brot verarbeitet werden; auch der Fischer fischt wie immer nach Fischen; und die Doktorin, die einst als Urlauberin kam, liest Bücher – mittlerweile bedient sie sich der Bücher aus dem Hotel, da sie sonst nirgends an neue Bücher rankommt…

Es kommt ihnen allen gar nicht in den Sinn etwas anderes zu tun oder vielleicht sogar die Insel zu verlassen!

Und dann kommt das Mädchen Ada! Nur ihren Namen kennen wir. Sie fängt an, dem Hausmeister des Hotels Fragen zu stellen. Fragen nach der Vergangenheit, nach ihm. Und der Hausmeister fängt an seine Routinen zu ändern. Zuerst füllt er den Pool wieder mit Wasser und später wechselt er sogar sein Zimmer! Und als ob durch Ada eine Dynamik in Gang gesetzt wurde, fangen auch die anderen Verbliebenen an aus ihrem Automatismus auszubrechen. Sie gehen aufeinander zu, sie fangen an miteinander zu sprechen und sich zu treffen, sie gehen gemeinsam spazieren, sie denken nach, fangen an, alles in Frage zu stellen und sich nach einem anderen Leben zu sehnen…Klingt doch alles normal. War es aber bis zu Adas Erschienen nicht! Die Verbliebenen haben sich regelrecht isoliert. Isoliert vom Festland und auch voneinander!

Aber was soll das mit dem Mädchen Ada? Warum taucht sie plötzlich auf? Es gibt keine Kinder mehr auf der Insel! Und warum verschwindet sie plötzlich wieder? Für mich ist klar, dass sie so etwas wie der Geist der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft ist, jemand, der den Verbliebenen einen Stups versetzt, dass sie ihr Leben überdenken und es tatsächlich selbst in der Hand haben, etwas zu verändern. Gleichzeitig wird dem Leser, bzw. allen Urlaubern, mit dieser Geschichte der Spiegel vorgehalten: dieser Bauboom, diese Touristenüberschwemmungen sind realer denn je, diese Hassliebe der Einheimischen gibt es wirklich! Das Buch erinnert mich daher vom Sinn her an das Buch “Zur See” von Dörte Hansen. Auch da hat man so seine Probleme mit dem Tourismus…

Ich habe es geliebt, wie die Autorin Thea Mengeler, in kurzen Kapiteln und in klarer, kurzer Sprache uns eine Welt nahegebracht hat, die gar nicht so unrealistisch und doch unvorstellbar ist. Und mal ehrlich? Wer würde sich nicht vielleicht genauso wie die Verbliebenen verhalten? Die an ihrer Insel festhalten! Sie kennen ja nichts anderes! Oder würdet ihr wie die Fortgegangenen agieren? Dieses was wäre wenn durchzuspielen ist schon interessant! Ebenso die Vorstellung, wie man statt Geld einfach Waren tauscht. Die Verbliebenen haben sich arrangiert. Und doch merkt man nach und nach, dass etwas in ihnen schwelt…

“Nach den Fähren” ist ein ruhiges Buch, in welchem sich nach und nach eine Unruhe, eine Spannung aufbaut, die am Ende gelöst wird. Das Buch kann man auch gar nicht schnell lesen, man käme sonst gar nicht in den Genuss des wunderbaren Sprachstils! Die Autorin hat durch ihre kurzen Kapitel und die wechselnden Perspektiven ein fesselndes und logisch aufgebautes Buch geschrieben, welches mit einem unerwarteten Ende aufwartet, welches mir aber sehr gut gefallen hat! Die Figuren bleiben weitestgehend oberflächlich, denn die Erinnerungen und das Denken, welche einen Menschen ausmachen, verlieren sie nach und nach und macht sie blass. Sie wollen sich aber nicht “auflösen”, deshalb fangen sie an zu agieren…

“Nach den Fähren” ist schon ein, wie ich finde, sehr poetischer Titel. Er geht einem gar nicht so leicht über die Lippen, man denkt über diese drei Wörter ständig nach! Und dann dieses Cover: Ein leicht gefüllter Pool. Erkennt man daran, dass die Leiter nicht ganz ins Wasserreicht. Vielleicht hat der Hausmeister bereits begonnen Wasser wieder in den Pool laufen zu lassen? Im Hintergrund das Meer und ein Stück Insel. Das Cover gefällt mir jedenfalls sehr gut! 🙂 Ohne den Klappentext gelesen zu haben, versucht man zu beidem, Cover und Titel, eine Geschichte zu finden. Aber auf die Geschichte von Thea Mengeler wäre ich nicht gekommen…

Somit erhält Thea Mengelers Buch “Nach den Fähren” von mir

5 !!! 🙂

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Über die Autorin:

Copyright Wallstein Verlag

“Thea Mengeler geb. 1988, aufgewachsen in Krefeld, studierte Literarisches Schreiben und Kommunikationsdesign in Hildesheim, Kiel und Istanbul. Sie war Finalistin beim 28. open mike sowie Styria Artist in Residence 2022. Aktuell lebt sie als freiberufliche Autorin und Texterin in Hannover. 2022 veröffentlichte sie ihr Debüt »connect«.”

( Quelle Wallstein Verlag )

“Nach den Fähren” von Thea Mengeler

Ein Roman aus dem Wallstein Verlag, erschient am 28.02.2024

ISBN 978-3835355859

175 Seiten

Hardcover

Auch als Ebook erhältlich

www.wallstein-verlag.de

“Nach den Fähren” von Thea Mengeler wurde mir von Netgalley als Rezensionsexemplar in Form eines Ebooks zur Verfügung gestellt. Dies hatte jedoch keine Auswirkung auf meine Meinung und Bewertung!

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