Rezension 193
“Der Palast” von Rodica Doehnert
Worum geht es?
“Berlin, Hauptstadt der DDR, im Frühling 1989. Noch liegt das Land im politischen Dornröschenschlaf – die alten Genossen regieren und glauben an einen unbesiegbaren Sozialismus. Im Friedrichstadt-Palast schert man sich nicht um die morbide Staatspolitik. Hier wird die große Show Jubiläum als Höhepunkt des 40. Jahrestages der DDR vorbereitet. Es geht es um Höchstleistungen für die Tänzer, die Musiker, für Regie und Technik. Christine Steffen, Tänzerin in der berühmten Girlreihe, wird endlich ihr lang ersehntes erstes Solo bekommen. In diesen aufregenden Stunden, die Christines Karriere eine entscheidende Wendung geben sollen, steht sie plötzlich ihrer Doppelgängerin gegenüber. Schnell stellt sich heraus: Marlene ist Chris’ unbekannte Zwillingsschwester aus Bayern. Was ist geschehen, dass die Schwestern getrennt wurden? Warum wussten sie nichts voneinander? Chris und Marlene beschließen, ihrer ost-westdeutschen Familiengeschichte auf den Grund zu gehen.”
( Quelle “Der Palast” von Rodica Doehnert )
Meine Meinung:
Ich wollte unbedingt im Fernsehen den Dreiteiler “Der Palast” schauen. Aber es kam wie so oft: die ersten zwei Teile hatte ich verpasst und den dritten nicht von Anfang an gesehen! 🙁 Dann hoffte ich auf die Mediathek, aber Pustekuchen!
Da ich aber schon durch die wenigen Fernsehminuten angefixt war und mich die deutsch-deutsche Geschichte auch sehr interessiert, war ich sehr froh, dass mir der Lago Verlag bzw. die M-VG ein Rezensionsexemplar hat zukommen lassen; vielen lieben Dank an dieser Stelle! 🙂
Der Palast enthält im Prinzip mehrere Geschichten gleichzeitig, die aufeinander aufbauen und auch der Inhaltsangabe des Buches zu entnehmen:
Da wären zum einen natürlich die Zwillinge Marlene und Christine, die als Babys auseinandergerissen wurden, wie einst die Zwillinge bei Erich Kästners “Das doppelte Lottchen”, und die dann durch letztendlich einen Zufall wieder zueinander finden. Das alleine gibt ja schon genug Stoff für eine spannende Geschichte. Aber das Interessanteste ist, dass die eine in der BRD aufwuchs, die andere in der DDR! Zwei komplett gleiche junge Frauen, die äußerlich komplett gleich sind (bis auf die Haarlänge), aber charakterlich so verschieden wie Tag und Nacht…
Womit wir beim nächsten Punkt wären: die deutsch-deutsche Geschichte. Es geht aber nicht um das Politikum an sich, sondern um das, was es mit den Menschen gemacht hat und macht! Wie sehen sich die jeweiligen Menschen in “ihrem” Land? Was heißen sie gut? Worunter leiden sie? Oder sind alle zufrieden? Wie denken sie? Wie denkt der jeweils andere? Welche Unterschiede gibt es in dem anderen Land? Welche Unterschiede gibt es bei dem jeweils anderen? Fragen, die sich u.a. auch die Zwillinge Marlene und Christine stellen. Und die dann etwas absolut Wahnsinniges machen…
Und dann als dritten Punkt eben doch die Politik, wie die Grenzen geöffnet wurden, wie die Mauer fiel und was wiederum DAS für die Menschen auf beiden Seiten der Grenze bedeutete! Vorfreude! Neugierde! Veränderungen! Enttäuschungen?…
Für mich, die als 10-Jährige gebannt vor dem Fernseher saß und mitbekam, wie tausende Menschen die Grenze passierten, weinten, feierten, sich in den Armen lagen, ein völlig aufregender Moment, den ich überhaupt nicht verstanden habe! In der Schule wurde nicht über die DDR gesprochen (wohl aber gefühlt 9 Jahre über den zweiten Weltkrieg!), daher hatte ich keine Ahnung, welche Bedeutung dies alles für unser Land hatte. Und bis heute weiß ich noch immer nicht viel, von diesem “anderen Land”! Aber ich spürte schon die Gewichtigkeit der Sache, da meine Eltern sehr aufgewühlt waren und ich meine mich zu erinnern, dass meine Mutter sogar geweint hat…
Da wundert es sicher nicht, dass mich diese Thematik überaus interessiert! 🙂 Und auch wenn es sich nur um eine fiktive Geschichte handelt, steckt in ihr mehr Wahres drin als man meint! Steht sie doch sinnbildlich für alle Familien, die auseinandergerissen wurden, steht sie dafür, wie leicht es ist, Menschen zu manipulieren und diffamieren. Sie steht für Freiheitsdenken, was mit dem Friedrich-Stadtpalast, seiner Revue, seinen Tänzern symbolisiert wird. Sie steht für das verkopferte der Gegenseite! Eine Geschichte, ein Buch voller Symbolik!…
Mir hat es sehr gefallen, wie die Autorin, die übrigens zuerst das Drehbuch schrieb und dann erst den Roman, all diese Geschehnisse, Gefühle, Missverständnisse und Konflikte in diesem Roman gekonnt beschrieben und verbunden hat. Besonders die Szenen im Friedrich-Stadtpalast haben mir sehr gut gefallen und haben diesem so sehr geregeltem Leben in der DDR ein gewisses Maß an Leichtigkeit und Glamour verpasst! Gerne hätte ich noch mehr Seiten gehabt, um noch länger in dieser Zeit zu verweilen…
Als gegen Ende im Buch die berühmten Worte von Günter Schabowski kamen ( “…die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzpunkte der DDR auszureisen” “Das tritt nach meiner Kenntnis…ist das sofort, unverzüglich” ) war ich wieder die 10-Jährige, die gebannt vor dem Fernseher saß und mitbekam, wie tausende Menschen die Grenze passierten, weinten, feierten, sich in den Armen lagen. Jedenfalls, war das die Stelle im Buch, wo auch ich wirklich angefangen habe zu weinen…
Denn mir wurde bewusst, dass ich ohne den Mauerfall so viele liebe Menschen in meinem Leben nie kennengelernt hätte!!!!!!! …
Und jetzt habe ich wieder Lust bekommen, mehr über “unsere” Geschichte zu erfahren! 🙂 Und den Film werde ich mir bestimmt auch (nochmal) ansehen! 😉
Von mir bekommt “Der Palast” von Ex
5 !!!
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“Rodica Doehnert wuchs in der DDR auf und ist eine bedeutende Drehbuchautorin. Zu ihren großen Publikumserfolgen gehören „Das Adlon. Eine Familiensaga“ und „Das Sacher. In bester Gesellschaft“ mit Millionen Zuschauern weltweit. Zu beiden Serien schrieb sie erfolgreiche Romane. „Das Sacher“ ist ein internationaler Bestseller. ”
(Quelle M-VG.de )
“Der Palast” von Rodica Doehnert
ein Roman erschienen im Lago Verlag am 14.12.2021
ISBN 978-3957612090
352 Seiten
gebunden
auch als ebook erhältlich