Rezension 427
„Ms. Darling und ihre Nachbarn“ von Freya Sampson
Aus dem Englischen von Claudia Voit
Worum geht es?
„Dorothy Darling, 77 Jahre alt und misstrauische Eigenbrötlerin, lebt schon fast ihr halbes Leben in Shelley House im beschaulichen Chalcot. Wachsam beobachtet sie das Treiben ihrer Nachbarn, unternimmt regelmäßige Kontrollgänge, führt Buch über Fehltritte und schreibt Beschwerdebriefe. Als die 25-jährige Kat, die nicht nur pinke Haare hat, sondern auch noch ein schrottreifes Auto fährt, (illegalerweise!) bei Dorothys Nachbarn Joseph zur Untermiete einzieht, wittert die alte Dame Ärger.
Doch der kommt plötzlich von ganz anderer Seite: Shelley House soll abgerissen und durch ein Gebäude mit Luxusapartments ersetzt werden. Joseph demonstriert vor dem Büro des Vermieters – und wird kurz darauf bewusstlos in seiner Wohnung aufgefunden. Was geht hier vor sich? Und wer kümmert sich jetzt um Josephs Hund? Kat und Dorothy müssen sich verbünden, um den Frieden wiederherzustellen und Shelley House zu retten. Eine scheinbar unmögliche Allianz, denn ebenso wie Dorothy hält auch Kat ihre Mitmenschen gern auf Abstand. Aber vielleicht lohnt es sich ja doch, die eigenen Vorbehalte über Bord zu werfen?“
(Quelle Klappentext zu „Ms. Darling und ihre Nachbarn“ von Freya Sampson)
Meine Meinung:
Ich durfte in der Vergangenheit bereits zwei Romane von Freya Sampson lesen, die mir beide sehr gut gefallen. Nun war ich sehr neugierig, wie mir wohl ihr dritter Roman gefallen wird!
Schon das Cover macht Lust auf das Buch: Zu sehen ist ein hübsches, aber in die Jahre gekommenes Haus; eine junge Frau mit pinken Haaren auf dem Dach; eine ältere Dame, die aus dem Fenster schaut und ein Hund, der sich vor dem Haus aufhält. Es handelt sich ohne Frage um jenes Haus, um welches es in diesem Roman geht – das Shelly House (1891) in der Poet´s Road. Das einzige, was mich ein wenig stört ist, dass es sich hier um eine Klappenbroschur handelt – die wirklich toll gemacht ist! -, und die anderen beiden Bände sind Hardcover mit Schutzumschlag! Mmhh….Finde ich immer blöd, hat aber keinen Einfluss auf die Geschichte! 😉
Ms. Darlings Alltag sieht folgendermaßen aus: Morgens kontrolliert sie das Haus auf etwaige Schäden oder Missstände, später ordnet sie die Post auf dem Ablageregal, kritisiert die anderen Bewohner des Hauses, wenn sie sich nicht ordnungsgemäß verhalten und geht ihrem Nachbarn aus Wohnung 1 aus dem Weg, weil sie ihn seit über 30 Jahren hasst! Und dann taucht plötzlich Kat auf! Eine unkonventionelle, junge Frau mit pinkem Haar, die bei ihrem verhassten Nachbarn Joseph als Untermieterin einzieht. Das riecht nach 1ärger, da ist sich Ms. Darling sicher.
Ärger kommt aber von ganz anderer Seite: Shelly House soll geräumt werden. Während Ms. Darling diesen Umstand lange ignoriert, versucht ein Teil der anderen Bewohner dagegen anzugehen. Auch Kat, obwohl sie doch mit diesen Leuten nichts zu tun hat. Warum setzt sie sich dennoch so sehr ein? Um warum will Ms. Darling partout nicht ausziehen? Was verbindet sie alle mit diesem Haus? Welche Geschichten wurden noch nicht erzählt? Und kann es für alle ein Happy End geben? Oder ist dies das erste Buch von Freya Sampson, dass einen am Ende traurig zurücklässt?…
Ich kann schon mal verraten: Das Ende ist stimmig und genau richtig so, wie es die Autorin geschrieben hat! 🙂 Wer jetzt mehr wissen will, muss das Buch lesen! 😉
Von Beginn an umgab Ms. Darling, Dorothy, etwas Geheimnisvolles. Genauso wie Kat! Gut, als Leser erfahren wir eher als die Bewohner von Shelly House, welches es ist. Aber dennoch! „Ms. Darling und ihre Nachbarn“ ist ein wundervolles Buch, wo sich nur nach und nach Geschichten auftun, die individuell wie tragisch sind. Es geht sehr viel um Zwischenmenschliches, das Unausgesprochene, das Verschwiegene. Aber auch um Stolz! Falscher Stolz?
Es geht ums Verzeihen und Loslassen. Um das Wagen von Neuem. Um das sich öffnen! Und um jede Menge Gefühl!…
Die Autorin Freya Sampson versteht es ihre Leserschaft in ihren Bann zu ziehen, sie mitzunehmen auf eine Achterbahn der Gefühle und Geschehnisse! Ich habe gelacht und mich gefreut, aber ich habe auch bitterlich geweint! Und am Ende war ich selig! 🙂
Wie ich bereits zu Anfang erzählt habe, haben mir die ersten beiden Romane der Autorin schon sehr gut gefallen. Aber dieser hier ist noch besser! 🙂 Was natürlich auch den zauberhaften – und auch weniger zauberhaften 😉 – Charakteren geschuldet ist. Neben Dorothy Darling, ihren Nachbarn Joseph und seinem Hund Reggie, und Kat gehören noch die anderen Bewohner von Shelly House: Gloria aus Wohnung 6, die immer die falschen Kerle datet; Tomasz und seine Hündin Princess aus Wohnung 5, vor denen alle irgendwie Angst haben; Omar und seine Teenager-Tochter Ayesha aus Wohnung 3; der Störenfried aus Wohnung 4, der immer so laut Musik hört und kifft.
Aber alle eint der Rauswurf aus diesem wunderschönen alten Haus! So unterschiedlich sie auch sind, irgendwie müssen sie zusammenhalten. Denn am Ende kommt es auf jeden einzelnen von ihnen an…
Ihr müsst dieses Buch lesen! Wirklich! 🙂 Es ist so schön geschrieben! Schön, aber auch ein wenig traurig! Aber dann wieder wunderschön! 🙂 So viele Gefühle, wie in diesem Buch, sind oftmals nicht gut auszuhalten, aber es lohnt sich! Es ist ein Buch voller Hoffnung und Hoffen! Es hat mich sehr berührt und ich wünschte, ich könnte es noch einmal zum ersten Mal lesen…
Von mir bekommt „Ms. Darling und ihre Nachbarn“ daher
5 / 5
Über die Autorin:
„Freya Sampson hat in Cambridge Geschichte studiert, ist Fernsehproduzentin und war u. a. an zwei Dokumentationen über die britischen Royals beteiligt. Bei DuMont erschien 2021 ihr Debütroman ›Die letzte Bibliothek der Welt‹, der auf der Shortlist für den Exeter Novel Prize stand, und 2023 ›Menschen, die wir noch nicht kennen‹. Freya Sampson lebt mit ihrer Familie in London.“
(Quelle Dumont Buchverlag)
„Ms. Darling und ihre Nachbarn“ von Freya Sampson
Ein Gegenwartsroman erschienen im Dumont Buchverlag am 15.04.2025
ISBN 978-3-8321-6851-3
368 Seiten
Klappenbroschur
Auch als eBook und Hörbuch erhältlich.
Von Freya Sampson habe ich bereits gelesen:
„Die letzte Bibliothek der Welt“
„Menschen, die wir noch nicht kennen“